Kommentar zu den Verbandsstrukturen im Schneesport in Baden-Württemberg von Thorsten Schelling (Freiburg) sowie Carsten Droll (Schönwald):
Anachronismus und Luxuszustand – Die Schneesportorganisation in Baden-Württemberg
Der Schneesport in Baden-Württemberg ist geprägt von einem Anachronismus: Mit dem Schwäbischen Skiverband (SSV), dem Skiverband Schwarzwald (SVS) sowie dem Skiverband Schwarzwald-Nord (SVS-N) bestehen gleich drei Landesskiverbände. Bis 2010 wurde mittels Arbeitsgemeinschaften (ARGE) der drei Landesskiverbände auf Landesebene zusammengearbeitet.
Dieser Anachronismus der Dreiteilung wurde 2011 zumindest zum Teil – nach einer langen und schwierigen Gründungsphase – mit der Skiverbände Baden-Württemberg Leistungssport GmbH (SBW Leistungssport GmbH) um eine weitere Organisation bereichert. Dies führt zu einem Luxuszustand: Neben den drei Landesskiverbänden SSV, SVS sowie SVS-N existieren mit der SBW Leistungssport GmbH nun vier Organisationen, die sich um den Schneesport in Baden-Württemberg bemühen. Das bedeutet unter anderem: Vier Geschäftsstellen. In Zeiten von rückläufigen Mitteln ein unhaltbarer Luxuszustand.
Die Befürworter der SBW Leistungssport GmbH hatten die längst überfälligen Zeichen der Zeit erkannt: Seit 1952 ist Baden-Württemberg ein Bundesland. Ein erfolgreiches Bundesland. Warum also nicht auch im Schneesport die Kräfte bündeln und gemeinsam an einem Strang ziehen, um den Schneesport zu stärken? Die Gründung der SBW Leistungssport GmbH musste im Bereich Wettkampfsport erfolgen, um durch eine gemeinsame Vermarktung und Organisation auch in Zukunft auf Landesebene handlungs- und konkurrenzfähig zu bleiben. Die Zusammenarbeit in Form einer ARGE war überholt.
Diejenigen, die sich einerseits der Geschichte bewusst und heimatverbunden sind, aber andererseits den Blick mehr in die Zukunft als in die Vergangenheit richten, können nur zu einem Ergebnis kommen: Gründung beziehungsweise Fusion der drei Landesskiverbände zu dem Schneesportverband Baden-Württemberg. Ein Bundesland – ein Verband! Die Gründung der SBW Leistungssport GmbH war ein erster großer Schritt in die richtige Richtung.
Der Blick in die Landesgeschichte zeigt dabei zahlreiche Parallelen auf: Die Gründung des heutigen Bundeslandes Baden-Württemberg im April 1952 – die Neugliederung des deutschen Südwestens – war eine äußerst schwierige Geburt. Im Rückblick zeigt sich die Vereinigung als Vernunftentscheidung und Erfolgsgeschichte. Baden-Württemberg bildet seit 1952 eine Einheit, deren Charakteristikum – historisch bedingt – die Vielfalt ist. Eine Einheit, die durch ihre inneren Gegensätze belebt wird. Der Dualismus von Baden und Württemberg (kulturhistorisch: Schwaben) – solange er in einem gesunden Maß und mit Anstand geführt wird – ist eine Vitalitätsquelle, da Konkurrenz belebend wirkt.
Um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu sein, um unnötige Doppel- bis Vierfachstrukturen zu glätten und den Sport an sich in den Mittelpunkt zu stellen, muss der Anachronismus und Luxuszustand von drei Landesskiverbänden beendet werden. Um echten Fortschritt im Schneesport in Baden-Württemberg zu ermöglichen, ist die Fusion von SSV, SVS und dem SVS-N zu dem Schneesportverband Baden-Württemberg unumgänglich. Ein Blick in die Geschichte des Bundeslandes Baden-Württemberg sollte allen Ewiggestrigen, Traditionalisten und Skeptikern die Augen öffnen: Auch wenn eine Fusion mit Sicherheit kein Kinderspiel werden wird – das Bundesland Baden-Württemberg selbst ist das beste Beispiel, dass der Schneesportverband Baden-Württemberg eine Erfolgsgeschichte wird.
Die Dachorganisation des gesamten Sports in Baden-Württemberg – den Landessportverband Baden-Württemberg – betrifft dies übrigens auch: Es bestehen der Badische Sportbund Freiburg, der Badische Sportbund Nord sowie der Württembergische Landessportbund.
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Für historisch Interessierte hier ein kleiner Blick in die Landesgeschichte von Baden-Württemberg:
Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war der deutsche Südwesten ein Paradebeispiel für die Zersplitterung deutscher Kleinstaaten. Im Zuge der napoleonischen Flurbereinigung Anfang des 19. Jahrhunderts entstandenen aus der kleinräumigen Staatenwelt im deutschen Südwesten das Großherzogtum Baden, das Königreich Württemberg sowie die beiden preußischen Fürstentümer Hohenzollern-Sigmaringen und Hohenzollern-Hechingen.
Die alliierten Besatzungsmächte formten nach dem Untergang des Deutschen Reiches mit Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern drei „Kunstgebilde“.
Die Gründung eines Südweststaates in der Bundesrepublik Deutschland wurde nach einer Volksabstimmung in den drei Bundesländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern im Dezember 1951 beschlossen und am 25. April 1952 vollzogen.
Jedoch war die Einteilung der Abstimmungsbezirke für die Volksabstimmung für das Endergebnis entscheidend. Da die alten Länder Baden und Württemberg (mit Hohenzollern) staatsrechtlich nach 1945 nicht mehr existierten und die neuen Bundesländer Baden, Württemberg-Baden sowie Württemberg-Hohenzollern von deren Bevölkerung legitimierte Nachfolger waren, kam eine Abstimmung nach den alten Ländern nicht mehr in Frage. Das Brisante daran war, dass eine Abstimmung nach den beiden alten Ländern die Gründung des Südweststaates wahrscheinlich verhindert hätte. Dieser Umstand war nach einer Probeabstimmung 1950 deutlich geworden. Hier hatte im alten Land Baden – Nord- und Südbaden zusammengefasst – eine knappe Mehrheit gegen den Südweststaat gestimmt.
Die Volksabstimmung fand nach zahlreichen Querelen im Dezember 1951 statt. Die Abstimmung wurde nach vier Bezirken vorgenommen: Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern. Dabei musste die Mehrheit in drei Bezirken für die Südweststaat-Gründung stimmen, damit diese umgesetzt werden konnte.
In den Abstimmungsbezirken Nordbaden, Nordwürttemberg sowie Südwürttemberg-Hohenzollern stimmte die Mehrheit für, in Südbaden gegen den Südweststaat. Insgesamt erbrachte die Volksabstimmung eine Mehrheit von knapp 70 Prozent für den Südweststaat. So wurde der Südweststaat am 25. April 1952 schlussendlich – nach einer schwierigen Geburt – gegründet.
1956 zogen Altbadener vor das Bundesverfassungsgericht und klagten gegen die Abstimmung, da der Wille der badischen Bevölkerung 1951 durch die Besonderheit der politisch-historischen Entwicklung übergangen worden sei. So kam es 1970 zu einer Abstimmung in Baden über den Verbleib von Baden in Baden-Württemberg. Hier stimmten über 80 Prozent für den Verbleib. Der Erfolg des Bundeslandes Baden-Württemberg in seiner bis dato 18-jährigen Geschichte hatte alte Vorbehalte und Befürchtungen entkräftet.
Einen guten Einstieg in die Landesgeschichte bieten:
Bausinger, Hermann: Die bessere Hälfte. Von Badenern und Württembergern. Stuttgart 2002.
Weber, Reinhold – Wehling, Hans-Georg: Geschichte Baden-Württembergs. München 2007.